Janheinz Jahn (1918–1973)

Foto: © Janheinz Jahn-Archiv, HU Berlin

 

Jugendliche Begeisterung für Fremdsprachen und Literatur

Janheinz Jahn wurde am 23. Juli 1918 in Frankfurt am Main in eine gut situierte Familie geboren. Durch Auslandsreisen wurde früh sein Interesse an fremden Sprachen und Literaturen geweckt. Bereits vor Beginn seines Studiums der Dramaturgie sowie der deutschen, italienischen und arabischen Philologie, das durch den Zweiten Weltkrieg vorzeitig beendet wurde, beherrschte er fünf europäische Sprachen. Nach dem Krieg arbeitete Jahn zunächst als freier Journalist und unternahm auch eigene literarische Versuche.

Schicksalhafte Begegnung: Janheinz Jahns erste Begegnung mit Léopold Sédar Senghor

Am 1. Dezember 1951 hatte Jahn schließlich jene denkwürdige Begegnung, die den Rest seines Lebens prägen sollte: Auf Einladung der Deutsch-Französischen Gesellschaft in Frankfurt hielt Léopold Sédar Senghor, späterer senegalesischer Präsident und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (1968), einen Vortrag zum Thema "La nouvelle poésie nègre de langue française", den Jahn besuchte.

Eigene Gedichte trug Senghor bei dieser Gelegenheit zwar nicht vor, aber durch ihn hörte Jahn zum ersten Mal auf Französisch verfasste Werke von Dichtern wie Aimé Césaire, Léon Damas, Birago Diop und Paul Niger. Er war begeistert und beschloss, weitere dieser Gedichte zu sammeln, sie zu studieren und nach Möglichkeit ins Deutsche zu übertragen.

Jahns 'geistige Entdeckungsreise per Luftpost'

Die nächsten Jahre waren für Jahn eine "geistige Entdeckungsreise per Luftpost", wie er es selbst einmal formulierte. Er verschickte über 600 Briefe, um die Anschriften weiterer Dichter zu ermitteln und mit diesen sowohl die Auswahl der Texte als auch seine Übertragungen zu diskutieren.

Schwarzer Orpheus und der Beginn der Rezeption afrikanischer Literatur in Deutschland

Das Resultat dieser mehrjährigen Bemühungen war die Lyrik-Anthologie Schwarzer Orpheus: Moderne Dichtung afrikanischer Völker beider Hemisphären, herausgegeben und übersetzt von Janheinz Jahn, erschienen 1954 im Carl Hanser Verlag. Mit der Veröffentlichung des Schwarzen Orpheus wurde zum ersten Mal moderne Dichtung aus Afrika und der afrikanischen Diaspora einer breiteren deutschen Leserschaft zugänglich gemacht, zu einer Zeit, als die Existenz einer geschriebenen afrikanischen Literatur in Deutschland noch weitgehend unbekannt war.

Der Schwarze Orpheus war zunächst ein verlegerisches Abenteuer des damaligen Leiters der literarischen Abteilung des Carl Hanser Verlags und späteren Professors für Buchwissenschaften und Editionskunde an der Universität München, Herbert G. Göpfert, der sich unter anderem um die Veröffentlichung von zeitgenössischer Weltliteratur bemühte: Literarisch Innovatives, aber auch bisher zu wenig Beachtetes sollte in Deutschland bekannt gemacht werden. Jahns Schwarzer Orpheus, der 161 Gedichten von 82 Autorinnen und Autoren umfasst, erlebte im Lauf der Jahre mehrere Auflagen, wurde ein Bestseller und erlangte eine Art Kult-Status. 1964 erschien eine erweiterte Fassung.

Der Titel der Lyrik-Anthologie zitiert Jean-Paul Sartres berühmtes Vorwort zu Senghors Anthologie de la nouvelle poésie nègre et malgache de langue française (1948), "Orphée Noir", in dem Sartre die Suche der Dichter nach einer 'schwarzen' Identität und nach lyrischen Ausdrucksmöglichkeiten für diese mit dem Abstieg des Orpheus in die Unterwelt vergleicht.

Jahn als Vermittler afrikanischer Literatur

Nach dem Erscheinen des Schwarzen Orpheus widmete Jahn sich weiterhin leidenschaftlich der Vermittlung afrikanischer Literatur in Deutschland. Zu vielen Dichtern und Schriftstellern entwickelte er im Laufe der Jahre ein freundschaftliches Verhältnis. Hiervon zeugen die handschriftlichen Widmungen, mit denen einige der Autoren ihre Werke für Jahn signiert haben.

Neben weiteren Anthologien machte er sich mit einflussreichen, wenngleich aus heutiger Sicht in manchen Punkten kontroversen literaturwissenschaftlichen bzw. kulturphilosophischen Werken (Muntu: Umrisse der neoafrikanischen Kultur, 1958 und Geschichte der neoafrikanischen Literatur: Eine Einführung, 1966) international einen Namen und kompilierte erste Bibliographien und Nachschlagewerke zu Literatur aus Afrika und der afrikanischen Diaspora.

Mit seiner Begeisterung für zeitgenössische afrikanische Literaturen und seinem ausgeprägten Sammeleifer, dem die Jahn-Bibliothek am Institut für Ethnologie und Afrikastudien ihren einzigartigen Bestand zu einem großen Teil verdankt, hat Janheinz Jahn bedeutende Pionierarbeit geleistet.

Literaturhinweise

Geider, Thomas, 2006: "Janheinz Jahn als Vermittler afrikanischer Literatur in den deutschen Sprachraum und die Weltliteratur". In: Anna-Maria Brandstetter und Carola Lentz (Hg.): 60 Jahre Institut für Ethnologie und Afrikastudien. Ein Geburtstagsbuch. (Mainzer Beiträge zur Afrikaforschung, 14) Köln: Rüdiger Köppe, 141-161.

Jahn, Janheinz, 1954: Schwarzer Orpheus. Moderne Dichtung afrikanischer Völker beider Hemisphären. München: Carl Hanser.

Jahn, Janheinz, 1954: "Verblüffende Wirkung eines Lyrikbandes: 600 Briefe an die Neger aller Kontinente". Die Welt, 25. November.

Jahn, Janheinz, 1958: Muntu: Umrisse der neoafrikanischen Kultur. Düsseldorf: Eugen Diederichs.

Jahn, Janheinz, 1965: Die neoafrikanische Literatur: Gesamtbibliographie von den Anfängen bis zur Gegenwart. Düsseldorf: Eugen Diederichs.

Jahn, Janheinz, 1966: Geschichte der neoafrikanischen Literatur: Eine Einführung. Düsseldorf: Eugen Diederichs.

Jahn, Janheinz, 1968: "Meine erste Begegnung mit Senghor". Darmstädter Echo, 20. September.

Jahn, Janheinz und Claus Peter Dressler, 1971: Bibliography of Creative African Writing. Nendeln, Liechtenstein: Kraus Reprint.

Jahn, Janheinz, Ulla Schild und Almut Nordmann, 1972: Who's Who in African Literature. Biographies, Works, Commentaries. Tübingen: Horst Erdmann.

Lindfors, Bernth, 1976: "The works of Janheinz Jahn". In: Bernth Lindfors und Ulla Schild (Hg.): Neo-African Literature and Culture. Essays in Memory of Janheinz Jahn. (Mainzer Afrika-Studien, 1). Wiesbaden: B. Heymann, 10-23.

Ricard, Alain, 2008: "Creative writing in African languages: writers, scholars, translators". In: Anja Oed und Uta Reuster-Jahn (Hg.): Beyond the Language Issue: The Production, Mediation and Reception of Creative Writing in African Languages. Köln: Rüdiger Köppe, 145-151.

Sartre, Jean-Paul, 1948: "Orphée noir". In: Senghor, Léopold Sédar Senghor (Hg.): Anthologie de la nouvelle poésie nègre et malgache de langue française. Paris: Presses Universitaire de France, X-XLIV.

Schild, Ulla, 1974: "A bibliography of the works of Janheinz Jahn". Research in African Literatures 5, 2, 196-205.

Schild, Ulla, 1976: "A bibliography of the works of Janheinz Jahn". In: Bernth Lindfors und Ulla Schild (Hg.): Neo-African Literature and Culture. Essays in Memory of Janheinz Jahn. (Mainzer Afrika-Studien, 1). Wiesbaden: B. Heymann, 24-31.

Schwarz, Anja (mit Flora Veit-Wild), 2008: "Passionate and controversial: Janheinz Jahn as a mediator of cultures among Europe, Africa, and America". In: Ineke Phaf-Rheinberger und Tiago de Oliveira Pinto (Hg.): AfricAmericas. Itineraries, Dialogues, and Sounds. Frankfurt am Main: Vervuert, 27-35.

Seiler-Dietrich, Almut, 2003: "Janheinz Jahn und die neoafrikanische Literatur". In: Flora Veit-Wild (Hg.): Nicht nur Mythen und Märchen. Afrika-Literaturwissenschaft als Herausforderung. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, 94-113.

Senghor, Léopold Sédar Senghor (Hg.), 1948: Anthologie de la nouvelle poésie nègre et malgache de langue française. Paris: Presses Universitaire de France.

© Anja Oed

Wir danken dem Janheinz Jahn-Archiv Berlin herzlich für die freundliche Kooperation und für die Erlaubnis, Fotos von Janheinz Jahn auf dieser Seite verwenden zu dürfen.

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