Autor: Anja Oed

Der afrikanische Bildungsroman

Eröffnung des 10. Janheinz Jahn-Symposiums

 

10. Janheinz Jahn-Symposium, 20. und 21. November 2014:

Reviewing the Past, Negotiating the Future: The African Bildungsroman

Das 10. Janheinz Jahn-Symposium war dem afrikanischen Bildungsroman gewidmet. Der Bildungsroman ist – wie die Verwendung des deutschen Begriffs z.B. im Englischen belegt – ein historisch mit deutscher Literatur im 18. Jahrhundert assoziiertes Genre, das sich bis heute und mittlerweile auch in vielen anderen Teilen der Welt größter Beliebtheit erfreut. Dabei hat sich das Genre seit seinen Anfängen als äußerst wandlungsfähig erwiesen und wurde den jeweiligen gesell­schaft­lichen und kulturellen Rahmenbedingungen höchst flexibel angepasst. In den letzten Jahren ist der Bildungsroman als Forschungsgegenstand vor allem im Kontext amerikanischer Ethnic und Gender Studies, aber auch im Zusammenhang mit postkolonialen und afrikanischen Literaturen wiederentdeckt worden. Das 10. Janheinz Jahn-Symposium ging von der Überlegung aus, dass eine systematische, komparative Lesart afrikanischer Romane als Bildungsromane eine neue Perspektive sowohl auf die untersuchten Romane selbst als auch auf das Genre des Bildungs­ro­mans als solches ermöglicht und – neben einem theoretischen Rahmen für den Vergleich sehr unterschiedlicher Werke afrikanischer Literatur aus verschiedenen historischen, gesellschaftlichen, nationalen und linguistischen Kontexten – globale Anknüpfungspunkte und Vergleichsmöglichkeiten im Hinblick auf Afrika-spezifische Veränderungen und Besonderheiten des Genres bietet.

Besonders produktiv erschien die Möglichkeit, sehr viele aktuelle Trends afrikanischer Literaturen in einen theoretischen und historischen literaturwissenschaftlichen Kontext stellen zu können, ohne dabei bereits im Ansatz auf eine Negativ-Perspektive festgelegt zu sein, was z.B. bei aktuellen Diskussionen afrikanischer Literatur im Kontext von Trauma- oder Dystopie-Forschung von Kritiker*innen häufig als grundlegend problematisch empfunden wird, weil es dazu beitragen kann, ein stereotypes, negatives Afrika-Bild zu festigen bzw. zu reproduzieren. Eine Unter­suchung von Werken von Schriftsteller*innen aus Afrika als Bildungsromanen erlaubt es, die zu Beginn des 21. Jahr­hun­derts allgegenwärtige literarische Thematisierung von Gewalt und Trauma im Zusammen­hang mit Gewaltherrschaft, Apartheid, Bürgerkrieg, Genozid, Flucht, aber auch HIV/Aids und extre­mer Armut und Gewalt im alltäglichen Leben, sehr produktiv literaturwissenschaftlich zu kontextualisieren. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass das Hauptinteresse des Genres per Definition der Jugend bzw. dem Reifungsprozess des Protagonisten bzw. der Protagonistin und damit letztlich der Zukunft gilt, wobei die Bildungs­ge­schichte des jugendlichen Individuums einerseits immer auch eine Auseinandersetzung mit den Wer­ten und Normen der Vergangenheit beinhaltet und andererseits über die individuelle Entwick­lung der Hauptfigur hinaus immer auch symbolische oder allegorische Implikationen für die Vision und Revision der Zukunft einer Gesell­schaft bzw. Nation hat. Franco Moretti (2000) z.B. sieht einen Zusammenhang zwischen der symbolischen Zentralität von „Jugend“ im 18. und 19. Jahrhundert als einer Zeit des radikalen gesellschaftlichen Wandels hin zur Moderne und der Entstehung des Bil­dungs­­romans als großer Erzählform, der sich, wie Apollo Amoko (2009) argumentiert, durchaus auf den afrikanischen Kontext übertragen lässt: Auch der afrikanische Bildungsroman ist im Zusammen­hang mit fundamentalen gesellschaftlichen Umbrüchen entstanden und beschäftigt sich mit dem Rei­fungs­prozess bzw. der „Bildung“ junger Protagonist*innen in instabilen, unsicheren Zeiten. Während der Bil­dungsprozess in afrikanischen Bildungsromanen des 20. Jahrhunderts oftmals mit der Aushandlung von moderner afrikanischer Identität im Kontext von Dekolonisierung bzw. im Spannungsfeld von „afri­kanischer Tradition“ und „westlicher Moderne“ beschäftigt ist, hat sich der Schwerpunkt in neu­e­­ren Bildungsromanen verschoben hin zu einer kritischen Auseinandersetzung mit postkolonialer Ge­schich­te und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen. Die jeweilige literarische Ausgestaltung und Varia­tion des Genres reflektiert und reagiert dabei auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Trends und Entwick­lun­gen, von Gender-Diskursen bis hin zu den dystopischen Merkmalen vieler zeitgenössischer Werke.

Eine Lesart afrikanischer Romane als Bildungsromane erlaubt außerdem einen neuen Blick auf den Bildungsauftrag, dem sich bis heute sehr viele afrikanische Autor*innen verpflichtet füh­len. Der Bildungsroman als ein Genre, das nicht nur eine individuelle Bildungsgeschichte erzählt und Bil­dung auf unterschiedliche Weise als solche thematisiert, sondern auch den Anspruch hat, der Bildung der Leser*innen dienen zu wollen, kommt dem Selbstverständnis dieser Autor*innen mit seinem symbolischen bzw. allegorischen Potential unmittelbar entgegen, geht es doch stets auch um The­men von größerer gesellschaftlicher und politischer Bedeutung, was immer das in den unter­schied­lichen historischen und gesellschaft­li­chen Kontexten jeweils konkret bedeuten kann.

Ziel des Symposiums war es, Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Ländern zu­sam­­men­zu­bringen, die sich mit verschiedenen Aspekten des postkolonialen bzw. afrikani­schen Bildungsromans beschäftigen. Unter den internationalen Teilnehmer*innen waren auch Kolleg*innen aus Ghana, Kenia, Nigeria, der Republik Kongo und Südafrika. Neben dem interdisziplinären Austausch und der Vernetzung von Forschung zum afrikanischen Bildungsroman aus unterschiedlichen Fachgebieten wie den Afrikawissenschaften, der Afrikanistik, der Swahilistik, der Anglistik, der Romanistik, der Medienwissenschaften, der Komparatistik und der Ethnologie ging es dabei auch um die Frage, was den afrikanischen Bildungsroman ausmacht und wo es darüber hinaus Parallelen zum postkolonialen Bildungsroman gibt.  Einerseits wurde in den Vorträgen untersucht, inwiefern Klassiker der afrikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts produktiv als Bildungsromane gelesen werden können und inwiefern andererseits das Genre des Bildungsromans auch mögliche Erklärungs­ansätze für generelle zeitgenössische Entwicklungen in afrikanischer Literatur bietet und erlaubt, diese als Varianten des Bildungsromans zu verstehen.

Literary bridges of Sindiwe Magona

Vortrag von Dianne Shober (University of Fort Hare, Südafrika) am 21. Mai 2014 im Rahmen des Seminars “Der afrikanische Bildungsroman", Sommersemester 2014.

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Local cosmopolitanism in Zambian literature: at home in the world in 1970s Lusaka

Vortrag von Ranka Primorac (Southampton, UK) am 15. November 2011 im Rahmen der Veranstaltung An Evening of Zambian Literature. Die Veranstaltung fand im Rahmen der interdisziplinären Forschungsplattform Zentrum für Interkulturelle Studien / ZIS der JGU Manz statt und wurde vom ZIS sowie dem Institut für Ethnologie und Afrikastudien finanziell unterstützt.

 

Anlass für die Veranstaltung war die Veröffentlichung einer Forschungsbibliografie zur anglophonen Literatur Sambias auf der Homepage der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen als Ergebnis eines Forschungsprojekts von Ranka Primorac (University of Southampton). Ranka Primorac selbst führte mit einem Vortrag in die Bibliografie ein und ging dabei auch auf das Werk der bereits mehrfach ausgezeichneten sambischen Schriftstellerin Namwali Serpell ein, die im Anschluss an den Vortrag über ihr Werk sprach und auch daraus las. Durch die Veröffentlichung der Bibliografie zur Literatur Sambias auf der Homepage der Jahn-Bibliothek möchte die Bibliothek auch im virtuellen Raum einen Beitrag zur internationalen, transkulturellen Afrika-Literatur­wissen­schaft leisten. Die Veröffentlichung weiterer Bibliografien wird begrüßt.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der interdisziplinären Forschungsplattform Zentrum für Interkulturelle Studien / ZIS der JGU statt und wurde vom ZIS sowie dem Institut für Ethnologie und Afrikastudien finanziell unterstützt.

Abstract zum Vortrag:
The lecture will introduce my recently-finished bibliography of Zambian literature by looking back at a foundational moment of Zambian writing in English: the Lusaka-based journal New Writing from Zambia, produced and circulated by members of a literary collective called the New Writers Group. Between 1964 and 1975, the journal published poetry, short fiction, plays, essays and book reviews in English. (Among its international followers was Germany's Janheinz Jahn, so Mainz, the location of the Jahn memorial library, is a particularly apposite location for this lecture). After outlining the social and literary conditions of the journal's publication, I will argue that these conditions were productive of a cultural and textual attitude that may be described as local cosmopolitan. Members of the New Writers Group were based in Lusaka, but they were also "at home in the world", and there is arguably a sense in which the same can be said of many of the texts they produced. As a collective literary undertaking, New Writing from Zambia defies being easily classified by the oppositions between popular and elite, commercial and non-commercial and official and unofficial cultural products. I will illustrate my talk with references to short stories published in the journal, and make link between those stories and the work of the Caine-Prize nominee Namwali Serpell, who is also scheduled to appear at the event.

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Afrikanische Literatur

Vortrag von Anja Oed am 15. Juni 2011 im Rahmen der Ringvorlesung "Afrika", Institut für Ethnologie und Afrikastudien.

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Afrikanische Literatur

Vortrag von Anja Oed am 22. Juni 2010 im Rahmen der Ringvorlesung "Afrika", Institut für Ethnologie und Afrikastudien.

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African Literature in the 21st Century

Panel im Rahmen der VAD-Tagung "Kontinuitäten und Brüche: 50 Jahre Unabhängigkeit in Afrika"

10. April 2010

Die Tagung der VAD wurde zusammen mit dem 19. Afrikanistentag vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien ausgerichtet und fand vom 7. bis 11. April 2010 in Mainz statt.

Aus der Ankünigung:

Transferring the overall topic of the conference to the realm of literature, this panel is concerned with African creative writing 50 years after independence. Papers will focus on African novels published in both African and the former colonial languages in the first decade of the 21st century. Presenters will aim at providing overviews or highlighting more general literary trends, i.e., discussions of the continuities and discontinuities in African novels by particular authors, from particular countries and/or in particular languages.

  • Robert Fotsing Mangoua (Dschang): "From missionary writer to artist writer: the changing status of the African writer in the 21st century"
  • Kathrin Heitz (Basel): A new colour: reflections on Chimamanda Ngozi Adichie's novels"
  • Almut Seiler-Dietrich (Bensheim): "'Unsere Geschichte ist kein Schloss und keine Kathedrale': Genealogie und Geschichte im Werk von Clémentine Faïk-Nzuji"
  • Aissatou Bouba (Bremen): "Gender im französischsprachigen Roman Afrikas"
  • Melanie Bourlet (Paris): "Creative writing in Pulaar (Senegal, Mauritania)"
  • Nadia Cohen (Frankfurt/Main): "Trends in Malian literature with a focus on Bamanankan publishing"
  • Lutz Diegner (Berlin): "The Kenyan challenge (?): dis/continuities in the Swahili novel 50 years after independence"
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Tatort Afrika

Vortrag von Anja Oed, gehalten am 12. November 2009 im Rahmen einer Vortragsreihe der KHG Mainz.

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Afrikanische Literatur

Vortrag von Anja Oed am 20. Mai 2009 im Rahmen der Ringvorlesung "Afrika", Institut für Ethnologie und Afrikastudien.

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