Ausstellungen

Sichtwechsel: Comic-Helden in und aus Afrika

Foto: Axel Brandstetter

 

Ausstellung in der Schule des Sehens (JGU), Jakob-Welder-Weg 18, 55128 Mainz

12. Juni bis 23. Juli 2018

Ausstellungsflyer

Aus der Ankündigung:

Die Ausstellung lädt ein zu einer Begegnung mit Comic-Helden in und aus Afrika, die vielfältige Perspektiven auf eine ganze Reihe von Themen ermöglichen. Die Comics bzw. Comic-Helden einiger zeitgenössischer afrikanischer Künstlerinnen und Künstler sind bewusst als Gegenentwürfe zu kolonial geprägten bzw. stereotypen Vorstellungen von Afrika entstanden, indem sie z.B. Großstadt-Heldinnen oder Superhelden in den Mittelpunkt stellen. Die Ausstellung zeigt aber auch Comics mit weiteren thematischen Schwerpunkten. So ermöglichen afrikanische Comic-Helden in oder unterwegs nach Europa unterschiedliche Perspektiven auf Migration; aber auch Märchen-, Alltags- und Krimihelden sowie Comic-Helden im Dienst von Bildung und Aufklärung sind in der Ausstellung vertreten, ebenso wie afrikanische Comic-Helden der Weltgeschichte, (Anti-)Helden postkolonialer Geschichte oder Nationalhelden.

Beitrag im JGU-Magazin über die Eröffnung der Ausstellung

 

Veranstaltungen im Rahmenprogramm der Ausstellung:

5. Juli 2018, Schule des Sehens:

11. Janheinz Jahn-Symposium "Africa in Comics and Comics in Africa"

5. Juli 2018, 18:15, Schule des Sehens:

Rupert Bazambanza (Ruanda): „Comics über den Genozid an den Tutsi als Erinnerungsarbeit“. Vortrag bzw. Künstlergespräch in französischer und deutscher Sprache

23. Juli 2018, 15-20:00 Uhr, Hörsaal P 2 (Philosophicum) bzw. Schule des Sehens

Schwarzer Orpheus meets Comic-Kunst. Fest-Symposium zum 100. Jubiläum des Geburtstags von Janheinz Jahn

23. Juli 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal P 2 (Philosophicum)

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Wertsachen. Die Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Ausstellung im Mainzer Rathaus

, Jockel-Fuchs-Platz 1

28. März bis 1. Juni 2015

Eröffnung: 27. März 2015, 18 Uhr

Öffnungszeiten: Mo - Fr 8 - 18 Uhr, Sa 9 - 14 Uhr, So/Feiertage geschlossen

Die Ausstellung präsentiert Objekte aus den Sammlungen der JGU, die vielfach einen hohen Wert für Forschung und Lehre, aber auch kulturellen und ästhetischen Wert haben. Sie gibt erstmals Einblick in Keller und Dachböden, Büroräume und Depots, in denen die vielen Tausend Sammlungsstücke aufbewahrt werden. Und sie zeigt die Menschen hinter den Objekten: die Wissenschaftler/innen, die an den Sammlungen forschen, sie zur Wissensvermittlung nutzen, sie pflegen und erweitern.

Kuratorin: Dr. Vera Hierholzer, Sammlungsbeauftragte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Fotografien: Thomas Hartmann

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Die stürmische Göttin und der mächtige Elefant

Ansichtssache! Objektgeschichten aus den Sammlungen

Yoruba Poetry. Traditionelle Yoruba-Gedichte, gesammelt und übersetzt von Bakare Gbadamosi und Ulli Beier. Mit acht Serigrafien und zehn Vignetten von Susanne Wenger (Ibadan: Ministry of Education, 1959)

T 26,8, B 54,5 cm

Die Anthologie setzt Serigrafien der österreichischen Künstlerin Susanne Wenger (1916-2009), die fast 60 Jahre lang in Nigeria lebte, in Beziehung zu mündlich tradierten Yorùbá-Gedichten (oríkì). Durch oríkì lassen die Yorùbá die Besonderheiten einzelner Menschen, aber auch ganzer Familien lebendig werden, von Gottheiten und Königen ebenso wie von Tieren und Pflanzen. Oríkì sind oft nicht leicht zu verstehen und voller Anspielungen auf historische Ereignisse. Ein bis zwei Verse bilden meist eigene Sinnabschnitte, die immer wieder neu kombiniert werden und je nach Kontext weitere Bedeutung annehmen können. Der hier im Bild evozierte Elefant gilt als Inbegriff von Macht und königlicher Würde.

Mit Oríkì zelebrieren die Yorùbá Identität: Jemanden mit seinen bzw. ihren Oríkì anzusprechen bedeutet, seine bzw. ihre persönlichen Besonderheiten wahrzunehmen, zu würdigen und lebendig werden zu lassen, aber auch an damit verbundene Privilegien und Verantwortung zu erinnern. Deshalb haben Oríkì auch emotional oft einen hohen Stellenwert. Mit Oríkì evozieren die Yorùbá die Besonderheiten einzelner Menschen, aber auch ganzer Familien, von Gottheiten und Königen ebenso wie von Tieren und Pflanzen oder sogar Nahrung. Oríkì sind oft nicht leicht zu verstehen und voller Anspielungen auf historische Ereignisse oder Anekdoten. Ein bis zwei Verse bilden meist eigene Sinnabschnitte, die immer wieder neu kombiniert werden und je nach Kontext zusätzliche Bedeutung annehmen können.

In ihrer einfachsten Form sind Oríkì, etwas salopp formuliert, eine Art Spitzname, der sich auf bestimmte Merkmale einer Person bezieht, oft in Verbindung mit bestimmten Lebenssitutationen, und dann anstelle des Vornamens verwendet wird. Als ich selbst im Rahmen meiner Promotionsforschung zum ersten Mal in Südwestnigeria unterwegs war, bekam ich sofort den Spitznamen Àjọkẹ́, was wörtlich übersetzt „wir kümmern uns gemeinsam (um dich)“ bedeutet. Jedes Mal, wenn jemand diesen Namen aussprach, wurde damit auch ein warmherziges Versprechen wiederholt, das sich auf meine Situation als Fremde in der Gesellschaft bezog, die in vieler Hinsicht auf die Gastfreundschaft der Menschen vor Ort angewiesen war. Die ersten Oríkì bekommen Menschen gleich nach der Geburt, und je älter, bekannter und einflussreicher jemand wird, desto mehr Oríkì sammelt er bzw. sie im Laufe des Lebens an. Wenn die Oríkì einer besonders berühmten Persönlichkeit dargeboten werden, endet der Vortrag oft mit der Feststellung, dass der oder die Künstlerin noch bis morgen weitersprechen könnte, um anzudeuten, wie unendlich viel es noch über diese Person zu sagen gäbe.

Entsprechend groß ist die Anzahl von Oríkì, die dem Elefanten als größtem Landsäugetier gewidmet sind. Das in der Anthologie zusammengestellte Gedicht präsentiert nur eine kleine Auswahl dieser Oríkì, die mit ungewöhnlichen und eindrucksvollen Bildern die Größe und Stärke des Elefanten preisen und deutlich machen, welchen Respekt dieser den Menschen einflößt:

Elefant, ein Geist im Busch
Elefant, der Tod bringt
Er schluckt eine ganze Palmfrucht
mitsamt den Dornen.
Er zertrampelt das Gras
mit seinen Mörserbeinen
Wo immer er auch hintritt,
wächst kein Gras mehr.
Er schüttelt einen Mann wie einen Lumpen
und hängt ihn in den Baum.
Mit einer einzigen Hand
reißt er zwei Palmen zu Boden.
Hätte er zwei Hände
risse er den Himmel entzwei.
Ein Elefant ist keine Last für einen alten Mann –
auch nicht für einen jungen.
(Übersetzung aus dem Englischen: Ulla Schild)

Aber auch die äußeren Merkmale und besonderen Eigenarten anderer Tiere, zum Beispiel der verschiedenen Antilopenarten, des Wildschweins, des Leoparden, des Python, der Hyäne oder des afrikanischen Büffels, werden in Oríkì lebendig.

Ähnlich wie in der griechischen oder römischen Mythologie gibt es auch in der Religion der Yorùbá etliche Gottheiten, die sogenannten Òrìṣà, um die sich zahlreiche Geschichten von Liebe, Macht, Neid und Intrigen ranken. Selbstverständlich werden auch diese in Oríkì besungen, sind aber häufig bruchstückhaft und voller kryptischer Anspielungen und deshalb meist sehr schwer verständlich. Zu den bekanntesten Gottheiten gehören Ọbàtálá, der Gott der Schöpfung, Ògún, der Gott des Eisens und der Jagd, Ṣàngó, der Gott von Blitz und Donner, Èṣù, Gott der Straßenkreuzungen und Türen, eine Art Trickster-Gott und Götterbote, aber auch Göttinnen wie Yemọja, die Göttin des Meeres und der Mutterschaft, Ọ̀ṣun, die Göttin eines gleichnamigen Flusses und der Fruchtbarkeit, sowie Ọya, Göttin von Wind und Sturm, des Flusses Niger und ebenfalls der Fruchtbarkeit. Ọya wird eine ansonsten als männlich empfundene Stärke und Zerstörungskraft zugeschrieben. Unter anderem deshalb wird sie mit dem afrikanischen Büffel assoziiert; außerdem gibt es Erzählungen, denen zufolge sie sich in einen Büffel verwandeln konnte, bevor sie ihren Götter-Gatten Ṣàngó heiratete.

Susanne Wengers Serigrafien sind nicht als Illustrationen spezifischer Gedichte in der Anthologie zu verstehen, sondern bilden Szenen aus Götter-Geschichten nach. Gemeinsam mit ihrem Mann Ulli Beier ging die Künstlerin 1950 nach Nigeria, wo sie auch nach der Trennung von ihrem Mann fast sechs Jahrzehnte lang bis zu ihrem Lebensende blieb. Sie war am Aufbau der einflussreichen Òṣogbo Art School beteiligt. Außerdem wurde sie selbst eine bedeutende Priesterin der in der südwestnigerianischen Stadt Òṣogbo besonders verehrten Göttin Ọ̀ṣun und widmete sich der Gestaltung und Pflege des dortigen Heiligen Hains von Ọ̀ṣun, einem Skulpturen-Park, der 2005 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde. Susanne Wengers Oríkì war übrigens „Àdùnní Olóríṣà“; „Àdùnní“ bedeutet wörtlich „die zu besitzen süß ist bzw. geschätzt wird“, während „Olóríṣà“ der Begriff für den Anhänger bzw. die Anhängerin einer Gottheit ist. Ihr Tod wurde mit den Worten „Erín wọ̀, Àjànàkú sùn bí òkè“ bekannt gegeben, was bedeutet: „Der Elefant ist gefallen, Àjànàkú (ein Oríkì-Spitzname des Elefanten) schläft wie ein Hügel“ (d.h., genau, wie man einen Hügel nicht bewegen kann, steht auch der gefallene Elefant nicht wieder auf). Diese Worte werden nur beim Tod von Königen und besonders bedeutenden Perönlichkeiten verwendet, was wiederum auf das hohe Ansehen des Elefanten verweist.

In der Sammlung der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen ist die Anthologie als Sammlung verschriftlichter Oratur eher ungewöhnlich und damit etwas ganz Besonderes. Die Jahn-Bibliothek verfügt aber über einen großen Bestand an zeitgenössischer, geschriebener Literatur in über achtzig verschiedenen afrikanischen Sprachen. Darunter ist auch eine größere Zahl auf Yorùbá verfasster Romane, Theaterstücke und Lyrik-Sammlungen, Kinderbücher und sogar Comics, außerdem Übersetzungen aus dem Yorùbá bzw. ins Yorùbá. Eine ganze Reihe literarischer, auf Yorùbá verfasster Werke wurde in Nigeria auch verfilmt.

Anja Oed, Wissenschaftliche Leiterin der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen

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Ziemlich beste Freunde

Die Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu Gast in Mainzer Museen

23. März bis 4. September 2016

Ungewohnte Exponate erwarten die Besucherinnen und Besucher vom Frühling bis zum Frühherbst in den Dauerausstellungen des Landesmuseums Mainz, des Naturhistorischen Museums und des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums: Die Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sind zu Gast! Ausgewählte Objekte aus den vielfältigen Beständen der Universität, die an verschiedenen Instituten für Lehre und Forschung genutzt werden, die die wissenschaftshistorische Entwicklung dokumentieren und ganz unterschiedliche ästhetische, kulturelle und ideelle Werte haben, treten in einen spannungsreichen Dialog mit den Exponaten der Museen. Wie eine Spur ziehen sich die universitären Sammlungsstücke durch die Museen. In den Bestandsvitrinen der Dauerausstellungen, aber auch in Gastvitrinen in den Farben der Universität Rot und Weiß wird beispielsweise eine indische Bronzefigur gezeigt, die mit mittelalterlichen Mariendarstellungen kontrastiert, eine Maske aus Kamerun steht einem Elefantenmodell gegenüber und mathematische Modelle korrespondieren mit moderner Kunst. Unterschiedliche Lebenswelten, Geschichten, Disziplinen, Epochen, Stile und Materialien treffen aufeinander. Die spielerischen Exponat-Nachbarschaften eröffnen überraschende Perspektiven und lassen die musealen und universitären Sammlungen in neuem Licht erscheinen. Sie fordern eine erneute Auseinandersetzung mit den Objekten heraus, decken Gemeinsamkeiten der vordergründig so unterschiedlichen Bestände auf, lassen Verbindungen quer zu Fächern und Kulturen erkennen und regen zu neuen Assoziationen und Erkenntnissen an. So bereichern sich die ungleichen Objektpaare gegenseitig – wie dies beste Freunde eben tun …

Kuratorin: Dr. Vera Hierholzer, Sammlungskoordinatorin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Bericht im JGU-Magazin über die Eröffnung der Ausstellung

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Meisterdetektiv Akins neuester Fall – Nigerianischer Kollege von Sherlock Holmes ermittelt auf Yorùbá

Objekt des Monats der Universitätssammlungen (September 2015) aus der Jahn-Bibliothek

Dieses auf den ersten Blick eher unscheinbare, etwas abgenutzt wirkende Buch ist eine kleine Kostbarkeit. Es handelt sich um einen Detektivroman des nigerianischen Schriftstellers Kọ́lá Akínlàdé (geb. 1924), der 1976 unter dem Titel Owó Ẹ̀jẹ̀ [dt.: Blutgeld] auf Yorùbá, einer der wichtigsten Sprachen Nigerias, veröffentlicht wurde und in dem ein Meisterdetektiv den Mord an einem jungen Migranten aufklärt. Wie viele seit dem vergangenen Jahrhundert in Afrika lokal publizierte literarische Werke ist der Roman längst vergriffen und sogar in Bibliotheken nicht oft zu finden – auch in Nigeria selbst, obwohl der Roman dort vor zehn Jahren erfolgreich verfilmt wurde und als Klassiker der modernen Yorùbá-Literatur gilt. Kọ́lá Akínlàdé, der neben anderen Werken insgesamt neun Detektivromane veröffentlicht hat, ist der bedeutendste Yorùbá-Vertreter dieses Genres. Wie manch anderes Buch fand auch dieses Werk auf ganz besondere Weise und jenseits üblicher bibliothekarischer Bestellvorgänge seinen Weg in die Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU): Die wissenschaftliche Leiterin kaufte es 1999 während eines privaten Feldforschungsaufenthalts in Nigeria unverhofft von einem Straßenhändler in Ibadan.

Owó Ẹ̀jè ist der vierte Roman um einen Meisterdetektiv namens Akin Olúṣínà. (Krimi aus der Jahn-Bibliothek, Foto: Thomas Hartmann, Universitätsbibliothek Mainz) Er spielt in den 1970er-Jahren in der Gegend von Ondo in Südwestnigeria. Nachdem Súlè, ein junger Migrant in den Zwanzigern, der unter den Yorùbá als Kakaofarmer arbeitete, vergiftet worden ist, ermittelt die örtliche Polizei. Auf Wunsch der Verlobten des Ermordeten wird sie dabei maßgeblich durch den Meisterdetektiv unterstützt. Nach und nach werden mehrere Tatverdächtige identifiziert und verhört, darunter berüchtigte Kriminelle ebenso wie respektable Mitglieder der Gesellschaft. In einer dramatischen Szene am Ende des Romans bestellt der Meisterdetektiv, der in seinen privaten Ermittlungen der Polizei, die noch immer im Dunkeln tappt, entscheidende Schritte voraus ist, alle noch verbliebenen Verdächtigen aufs Revier ein. Während die Unschuldigen unter den Anwesenden schnell entlastet werden, gelingt es dem Meisterdetektiv in beeindruckender Weise, nicht nur den Täter zu überführen, sondern nebenbei noch weitere ungeklärte Fälle zu lösen. Súlès Mörder ist ausgerechnet dessen wohlhabender, väterlicher Yorùbá-Mentor Bàbá Wálé, der ihm scheinbar großzügig – im Gegenzug für gelegentliche Arbeitsleistungen – Land zum Kakaoanbau überlassen hatte, ohne dies vertraglich zu dokumentieren. Dieser wollte nun die Früchte der jahrelangen, harten Arbeit Súlès ernten.

Der Autor Akínlàdé adaptiert mit seinem Detektivroman ein globales Genre, das er instrumentalisiert, um sich mit spezifischen, lokal relevanten Themen der zeitgenössischen, von der Kolonialzeit geprägten Yorùbá-Gesellschaft auseinanderzusetzen. Dazu zählen neue Möglichkeiten von Frauen in einer westlich beeinflussten Welt, aber auch Herausforderungen, die sich daraus für diese ergeben. Auch ethnisch motivierte Diskriminierung und Ausbeutung sowie die Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Sein und Schein werden geschickt mit dem Mordfall verknüpft und in einen aktuellen gesellschaftlichen Kontext gestellt. Die insgesamt positive Darstellung der Polizei dient der Korrektur weit verbreiteter Vorbehalte und soll das Vertrauen der Leser in moderne Institutionen staatlicher Gewalt stärken. Am deutlichsten wird die Vision des Autors von gelungener Moderne durch die Figur des Meisterdetektivs selbst verkörpert. Dessen Überlegenheit und letztlich das Geheimnis seines Erfolgs sind wesentlich durch seine kulturelle Kompetenz und Flexibilität begründet, die es ihm erlauben, in der modernen Yorùbá-Gesellschaft optimal zu funktionieren. Die Auseinandersetzung mit dem kulturellem Wandel und den Herausforderungen, die dieser im Alltag der Menschen mit sich bringt, wird dabei nicht als Kampf zwischen "Tradition" bzw. "Yorùbá-Kultur" einerseits und "Modernität" bzw. "westlicher Kultur" andererseits inszeniert. Vielmehr geht es darum, sich in einem dynamischen Prozess und auf lokal relevante Art und Weise mit der Moderne auseinanderzusetzen – weder im Gegensatz zu traditioneller Kultur noch in gezielter Abgrenzung vom Westen, sondern durch die geschickte, strategische Integration von Elementen beider Welten.

Akínlàdés Detektivroman ist typisch für die Sprachenvielfalt der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen, deren Bestand auf den Journalisten, Übersetzer und Literaturvermittler Janheinz Jahn (1918-1973) zurückgeht. Als einer der ersten Forscher überhaupt verstand Jahn Literatur aus Afrika unabhängig davon, in welcher Sprache sie verfasst war, als eigene Tradition und nicht als Übersee-Abteilung der europäischen Philologien; von Anfang an war es für ihn selbstverständlich, dass afrikanische Schriftsteller ihre Werke nicht nur in den Kolonialsprachen, sondern auch in lokalen Sprachen verfassten. Bereits seine erste Begegnung mit afrikanischer Literatur bei einem Vortrag des Dichters und späteren senegalesischen Präsidenten Léopold Sédar Senghor (1906-2001) im Dezember 1951 mag dieses Verständnis begründet haben, denn Senghor trug bei dieser Gelegenheit Gedichte in französischer Sprache, aber auch auf Wolof, einer der wichtigsten Sprachen seines eigenen Heimatlandes, vor. Mittlerweile verfügt die Jahn-Bibliothek über eine einzigartige Sammlung literarischer Werke in über achtzig Sprachen, darunter die ehemaligen Kolonialsprachen ebenso wie eine sehr große Zahl afrikanischer Sprachen.

Anja Oed, Wissenschaftliche Leiterin der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen

Literatur

Kọ́lá Akínlàdé: Owó Ẹ̀jẹ̀, Ibadan (Nigeria) 1976.

Anja Oed: "The world has changed": modernity in Kọ́lá Akínlàdé’s detective novel Owó Ẹ̀jẹ̀, in: Anja Oed und Christine Matzke (Hg.): Life is a Thriller, Köln 2012, S. 113-127.

Anja Oed: Literaturen in afrikanischen Sprachen und die Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen, in: Anna-Maria Brandstetter und Carola Lentz (Hg.): 60 Jahre Institut für Ethnologie und Afrikastudien. Ein Geburtstagsbuch. Köln 2006, S. 163-177.

Bísí Ògúnṣínà: The Development of the Yoruba Novel, 1930-1975, Ilorin (Nigeria) 1992.

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Collecting Culture: Afrika in Archiven und Bibliotheken des Rhein-Main-Gebietes

Ausstellung in Räumen der Universitätsbibliothek Johann Christian-Senckenberg in Frankfurt am Main

25. Juli bis 28. August 2006
Ausstellungsposter der Jahn-Bibliothek Die Jahn-Bibliothek beteiligte sich an einer Ausstellung zum Thema "Collecting Culture: Afrika in Archiven und Bibliotheken des Rhein-Main-Gebietes", die anlässlich der VAD-Tagung vom 25. Juli bis 28. August 2006 in Räumen der Universitätsbibliothek Johann Christian-Senckenberg in Frankfurt am Main zu sehen war.

Aus dem Text des Ausstellungsflyers:

Das Rhein-Main-Gebiet bietet eine in Deutschland einmalige Dichte von Forschungsinstitutionen, Bibliotheken, Sammlungen und Archiven mit Bezug auf Afrika. Ihre Entwicklung reflektiert den wechselvollen Blick, den Europa auf den südlichen Nachbarkontinent warf. Dabei reichen einige Wurzeln bis in die Frühzeit der europäischen Begegnung mit dem afrikanischen Kontinent.

Die Ausstellung "Collecting Culture" (25.7. – 28.8.2006) will die Afrika-Sammlungen dieser Institutionen ausgehend von ihren Gründerpersönlichkeiten vorstellen. Die Strömungen der europäischen Geistesgeschichte und die politischen Entwicklungen der Vergangenheit spiegeln sich in den Sammlungen wie Sedimente des Wissens. Der Blick auf Afrika veränderte sich im Laufe der Zeit und bewirkte eine Veränderung der Forschungsfragen und damit auch der Zusammensetzung der Sammlungen: Die Perspektive wandelte sich von der Rettung des vermeintlich "Authentischen" bis hin zur Dokumentation des Hybriden und des Alltags.

Erstmals werden anlässlich der VAD-Tagung 2006 in Frankfurt a. M. die unterschiedlichsten Medien (Zeichnungen, Fotografien, Bücher, Musik, ethnographische Objekte) aus vier Sammlungen – dem Frobenius-Institut und der Universitätsbibliothek, beide in Frankfurt a. M., sowie dem Archiv für die Musik Afrikas und der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen, beide Mainz – gemeinsam einer breiten Öffentlichkeit in den Räumen der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt a. M., präsentiert.

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Geschichte und Geschichten. Die Literaturen Afrikas

Präsentation einer Wanderausstellung der Aktion Afrikanissimo

Mai 2000

Organisation: Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.

Begleitbroschüre Konzeption und Text: Thomas Brückner

Mit gleichnamiger Begleitbroschüre von Thomas Brückner (Frankfurt: Aktion Afrikanissimo, Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V., 1998)

Aus dem Editorial der Begleitbroschüre:

"Die Ausstellung Geschichte und Geschichten. Die Literaturen Afrikas bietet als erste ihrer Art in deutscher Sprache eine umfassende Übersicht über die Literatur und Literaturgeschichte Afrikas südlich der Sahara. Mit Hilfe dieser Begleitbroschüre können Sie die Ausstellungstexte (und einige der Abbildungen) als Lektüre mit nach Hause nehmen. Außerdem finden Sie ausführliche bibliographische Angaben, die Sie nutzen können, um sich einige der Werke zu besorgen."

Inhalt:

  • Erbe der Mündlichkeit
  • Themen und Tendenzen
  • Alphabet der AutorInnen

Die Ausstellung und die Begleitbroschüre wurden mit finanzieller Unterstützung der Kommission der Europäischen Union und des Kirchlichen Entwicklungsdienstes der EKD durch den Ausschuss für Entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik (ABP) ermöglicht.

Im Begleitprogramm der Präsentation der Ausstellung am Institut für Ethnologie und Afrikastudien in Mainz fanden mehrere Lesungen statt. Am 10. April war der südafrikanische Lyriker und Essayist Lesego Rampolokeng zu Gast am Institut. Am 16. Mai organisierte die Jahn-Bibliothek in Zusammenarbeit mit dem Institut für Theaterwissenschaften und dem Interdisziplinären Arbeitskreis Drama und Theater der JGU eine szenische Lesung des Theaterstücks Death and the King's Horseman von Wole Soyinka. Am 29. bzw. 30. Mai lasen die südafrikanischen Schriftsteller Don 'Bra Zinga' Mattera und Mike Nicol aus ihren Romanen.

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